Eine Langdistanz ist für die allermeisten Bike-OL-Fahrer zuerst einmal eine grosse Belastung. Warum sie trotzdem eine grosse Erlösung sein kann, schildert dieser Bericht von Adrian Jäggi. An der Langdistanz Europameisterschaft gelang ihm dort die erste Top10 Platzierung. Hier werden persönliche Eindrücke und Analysen der Routenwahlen geschildert.

Vorgeschichte

Am Tag vor der Langdistanz fand die Mitteldistanz statt. Der Wettkampf misslang mir gründlich. Auf einer zu offensiven Querroute verlor ich früh über 10min. Ich beendete den Wettkampf im Trainigsmodus und sah in als Vorbereitung auf die Langdistanz. Entsprechend konnte ich auch einige “Körner” sparen.
Ebenfalls zu erwähnen ist, dass mir das Gelände sehr gefällt und auch gut liegt. Ich habe schon einige coole Wettkämpfe in Portugal bestreiten können in der Vergangenheit, und das oft hügelige Gelände behagt mir sehr.
Nach der versärbelten Mitteldistanz war aber auch (mein eigener) Druck gestiegen, war doch die Langdistanz das letzte Einzelrennen der Saison 2021!

Startphase

Gleich zum ersten Posten stellte der Bahnleger uns eine knackige Aufgabe. Krystof Bogar und wenige anderen riskierten gleich zu Beginn viel, und wurden auch mit einem ordentlichen Zeitgewinn von um die 30″ belohnt. Diese Variante war aber mir und auch Simon zu risikoreich. Das Querfahren durch grünes Gebiet kann auch ordentlich schief gehen.

Auf der nächsten Teilstrecke gab es viele verschiedene Routen, die gefahren wurden. Auffallend ist hier aber, dass auch auf identischen Routen die Zeitunterschiede sehr gross sind. Der grösste zeitliche Unterschied machte hier offensichtlich die Ausführung aus. Davide Machado spielte hier seinen Heimvorteil aus und bewältigte die knackigen Anstiege und teils engen Kurven am schnellsten.

Auf der anschliessenden Diamant-Gabelung musste ich die Posten in der Reihenfolge 2-5-6-7-3-4-8 anfahren. Ich stelle hier die Routenwahlen trotzdem in der Reihenfolge wie auf 2D-Rerun dar.
Auf dem Weg vom 3. zum 4. Posten musste man quer fahren da es keine andere in Frage kommende Variante gab. Die wurde, wie unten ersichtlich, unterschiedlich gut bewältigt. Die Route von Vojtech Ludvik wurde ausgeblendet, er hatte beinahe jeden Quadratmeter in diesem Bereich abgesucht und dementsprechend viel Zeit verloren. Bemerkenswert ist, dass er es danach immer noch auf den 5. Rang geschafft hat!

Mittelabschnitt

Die nächste spannende Routenwahl befand sich auf dem Weg vom 5. zum 6. Posten. Dort erwischte ich die schnellste Route. Die Steigung durch das Tal hoch war gleichmässig, wenn auch gegen Schluss etwas steiler werdend. Ich konnte meine guten Beine nutzen und schnell fahren. Ein gefallener Baum und etwas Stau bei ebendiesem kosteten mich ein wenig Zeit, das war aber bei weitem nicht so ausschlaggebend, wie wenn ich eine andere, langsamere Route gewählt hätte.

Auf der Route von Posten 8 zu 9 gab es ebenfalls eine klare schnellste Route. Ich peilte diese auch an, machte aber bei der Umsetzung einen kleinen Fehler und überfuhr die Abzweigung nach Links in der Abfahrt ins grosse Tal. Danach musste ich mich unten erstmal auffangen. Dies geling mir dann schnell, und so hielt sich der Zeitverlust mit rund 1.5 Minuten noch in Grenzen. Dies verunsicherte mich auch nicht sehr. Denn ich wusste, dass in einer Langdistanz viel passieren kann und noch gar nichts verloren ist. Meine guten Beine gaben mir zusätzliches Selbstvertrauen.

Die nächste interessante Teilstrecke führte hoch zum 10. Posten.Hier wählte ich zu Beginn die schnellste Variante. Etwa auf halber Strecke nach oben bog ich aber links ab, und ersparte mir so ca. 200m. Dies zahlte sich jedoch nicht aus, wohl auch weil der leichte Umweg schneller befahrbar war und die Höhenmeter etwas besser verteilt waren. Die Alternativrouten südlich waren aber klar langsamer.

Nach zwei eindeutigen Routenwahlen folgte eine nächste etwas spannendere zum Posten 13. Hier war die Route im Norden, wo man auf einer Schneise (ohne eingezeichneten Weg) abkürzen konnte, die schnellste. Nicht viel dahinter folgten die verschieden ausgeführten Abkürzungen im Süden, die auch ich gewählt hatte. Die entstandene Zeitdifferenz war aber so gering, dass sie kaum Auswirkungen auf die Resultate hatte.

Schlussphase

Die Routenwahl zum Posten 15. war zwar die Längste des Rennens, spannend war sie trotzdem nicht. (Fast) allen war klar, dass man den breiten guten Weg das Tal hinunter recht schnell bewältigen kann. Es entstand nur eine kleine Uneinigkeit, ob der Posten jetzt links oder rechts rum angefahren werden soll. Die meisten Athleten entschieden sich für die linke Variante, so auch ich. Die beiden Varianten waren aber praktisch gleichwertig.

Auf dem Weg zum Posten 17 war die Route über den Trail am Fluss die klar schnellere. Im Wirrwarr aus Wegen hoch zum Posten 17 musste man einfach schnell hochkommen, dabei spielte die Wahl des Weges keine wichtige Rolle. Die Route über den oberen Trail, die unter anderem Simon Brändli gewählt hat, war mit einem Zeitverlust von über einer Minute klar langsamer, da viel mehr Weg zurück gelegt werden musste.

Die letzte schwierige Route stand zum Posten 18 an. Den meisten war klar, dass man übers Feld abkürzen muss, was ich auch machte. Trotz schneller Route verlor ich bei der Umsetzung etwas Zeit. Müdigkeit und fehlende Routenvorbereitung machten sich bemerkbar in verschiedenen Sicherheitsstops.

Auf den letzten zwei Posten konnte ich das Rennen noch sicher ins Ziel bringen. Unterwegs zu Posten 19 hat ich noch einen kleinen Sturz, als ich beim Kartenlesen auf dem schmalen Trail etwas vom Weg abkam und mit dem Vorderrad wegrutschte. Ich war überglücklich, als ich im Ziel die neue Bestzeit aufstellen konnte. Mein erster Top10-Rang an einer internationalen Meisterschaft ist Tatsache!