Es war ein langer Tag heute in Portugal. Daher fanden die Informationen von den Athlet*innen nur tröpfchenweise den Weg in die Schweiz. Es war aber auch ein äusserst ereignisreicher Tag in Portugal und ich wollte daher niemanden mit einem kurzen oberflächlichen Bericht abspeisen. Ich hoffe, ihr Leser*innen seht mir die Verspätung nach. Die beste Schweizer Leistung erbrachte heute erneut Noé Henseler, der bei den M17 auf den 5. Rang fuhr. Das heisst aber keinesfalls, dass er der einzige war, der heute ein erfolgreiches Rennen hatte.
Begonnen hat der Tag mit den Junior*innen und Jugend-Kategorien, wo als erster Schweizer Silas Lützelschwab ins Rennen starten durfte. Nach seinem gestrigen Debüt konnte er sich heute deutlich besser fokussieren und kam auch mit der Karte besser zurecht. Er ist zufrieden mit seinem Rennen und landet auf Rang 14. Der frisch gebackene Mitteldistanz-Europameister Noé Henseler durfte seinem Kollegen Lützelschwab kurze Zeit später auf die Strecke folgen. Vor dem Start hatte Henseler noch mit einer leichten Übelkeit zu kämpfen, welche aber auf den ersten Kilometern wieder verschwand. Kurz nach dem Start passierte Henseler allerdings ein äusserst ärgerlicher Fehler: Er interpretierte das Gelände falsch und fuhr recht weit, bevor er sich auffangen konnte. Während seines grossen Fehler hatte Henseler den Posten den er gebraucht hätte sogar schon gestempelt. Nach dem Auffangen war er sich dessen aber nicht mehr sicher und kehrte nochmals zurück zum Posten. Der Rückstand, den sich Henseler mit diesem Fehler auf Koskinen (FIN) einhandelte vergrösserte sich während dem Rennen kaum noch. Tolle Anekdote aus Henselers Rennen: Auffangen konnte er sich nicht etwa ab einem markanten Objekt im Gelände, sondern weil er einen Ort wiedererkannte, den er sich in der Vorbereitung auf Google Street View angeschaut hatte.
In der Juniorenkategorie war es heute erneut kein Schweizer Tag. Gestern noch frustriert über viele kleine und grössere Fehler, beschrieb Flurin Schnyder heute schon wieder niedergeschlagen ein Rennen, das überhaupt nicht nach seinen Vorstellungen verlief. Sein Kopf und seine Beine wären heute offenbar durchaus bereit gewesen eine absolute Bestleistung zu zeigen. Jedoch stellte Schnyder bereits vor dem zweiten Posten erschrocken fest, dass er in einem Downhill wohl sein Bidon verloren hatte. Ein besonderes Pech für Schnyder, der mit der portugiesischen Hitze besonders fest zu kämpfen hat. Der Nachwuchsathlet bewies daraufhin seine mentale Stärke und kämpfte weiter, halt ohne Erfrischungsmöglichkeit. Einige Posten später ereilte ihn das Pech aber schon wieder. In einer Abfahrt schlitzte er sich seinen Reifen auf. Wertvolle Zeit musste er für das Flicken des Defektes aufwenden. Trotz all seiner Mühe wollte der Schlitz nicht mehr richtig abdichten und Schnyder sah sich gezwungen, die nächsten 3 Posten bis zur Zuschauerpassage mit halb-plattem Hinterreifen zu bestreiten. Sein Tempo musste er dabei deutlich drosseln, insbesondere in den Kurven. In der Technik-Zone der Zuschauerpassage konnte Schnyder dann endlich ein Ersatzrad nehmen – und eine neue Trinkflasche. Der Kämpfer fuhr das Rennen danach ohne weitere Pannen fertig. Mit der verlorenen Zeit des Flickens reicht es Schnyder auf den siebten Rang. Ohne Defekte wäre heute womöglich ein Podestplatz möglich gewesen.
Ein äusserst packendes Rennen lieferten sich Noah Rieder und Adrian Jäggi, mit der internationalen Konkurrenz der Elite-Kategorie. Jäggis Rennen startete dabei nicht gerade vielversprechend. Bereits zum zweiten Posten machte er einen Fehler und hatte grosse Mühe, sich wieder aufzufangen. Er verbrachte daraufhin auch einige Zeit damit, sich wieder durch das Fahrerfeld vorzuschalten. Ganz umgekehrt erging es Rieder. Der Schnellstarter fand sich zwischenzeitlich sogar an vierter Position wieder. Es folgte ein ausgesprochen anspruchsvoller Mittelteil des Rennens mit einem Schmetterlingssystem, das es in sich hatte. Dazu kamen Steigungen, welche unmöglich zu fahren waren und der Hitze, welche zu diesem Zeitpunkt wohl bereits einige Köpfe gekocht hatte. Jäggi konnte während dieser Phase Zeit gut machen und zu Rieder in eine grössere, etwas in die Länge gezogene Verfolgergruppe aufschliessen. Kurz darauf holte er sich in einem Downhill einen Platten und die gutgemachte Zeit drohte, ihm erneut zu entfliehen. Geistesgegenwärtig reagierte Jäggi, und plante seine Route um: In einem Gegenanstieg, der ihn auf der neuen Route erwartete, konnte er während dem Hochrennen kontrollieren, ob das Loch klein genug sei, um sich alleine durch die Tubeless-Dichtmilch wieder zu verschliessen und Jäggi hatte Glück. So musste er lediglich am Ende des Anstiegs den Pneu etwas aufpumpen, bevor sich der Schnelldenker wieder auf das Rad schwingen konnte. Rieder konnte währenddessen etwas hinter Jäggi mit dem Tempo seiner unmittelbaren Gegner mithalten. So kamen beide in einer sehr guten Position zur Zuschauerpassage. Auf der Schlussschlaufe taktierte Jäggi erneut richtig und konnte mit einer Querroute eine 35-Sekunden Lücke zu Kaksonen (FIN) schliessen und den Finnen danach abhängen. Damit fährt Jäggi auf den souveränen siebten Platz in einem Rennen, das aus vielen verschiedenen Gründen äußerst anspruchsvoll war. Rieder fährt kurz nach Jäggi auf Platz 11 ein. Auf der Schlussschlaufe entschied er sich dazu, ein wenig Tempo rauszunehmen, in der Hoffnung, dass der Franzose Pinsard, mit dem er unterwegs war einen Fehler machen würde, und Rieder ihn dann abhängen könnte. Ohne dieses Taktieren wäre eventuell sogar ein Top-10 Resultat möglich gewesen, denn was Rieder nicht wusste: Koskinen (FIN) und Maiselis (LTU), die kurz vor Rieder und Pinsard waren, machten beide noch Fehler auf der Schlussschlaufe. Rieder und Jäggi zeigten sich beide sehr zufrieden mit ihren Rennen und betonten, dass auch die Betreuungspersonen einen wichtigen Job hatten und diesen Job tadellos leisteten: In der Zuschauerpassage erhielten beide Elite-Athleten Wasser, sowie wertvolle Informationen über die Positionen und Rückstände.
Das Frauen-Rennen war ebenso ereignisreich. Wellenreiter erlebte bereits am Start, wie hektisch ein Massenstart-Rennen sein kann, war sie doch in der hintersten Reihe gestartet und um ein Haar noch in einen Sturz verwickelt. In der darauffolgenden Startphase war sie nicht ganz so gut vorbereitet, wie sie sein wollte. Auch Ursina Jäggis Startphase verlief nicht wunschgemäss. Sie sah einen Trail, den sie nehmen wollte im Gelände einfach nicht und verhedderte sich anschliessend im Dickicht, dort wo sie den Trail am ehesten vermutete. Als sie sich von den Dornen befreit hatte, waren die allermeisten Gegnerinnen bereits deutlich weiter. Beide Fahrerinnen fanden sich nach dieser Startphase ziemlich alleine. Wellenreiter schien dies zu helfen. Sie fing sich wieder und begann die wilde Aufholjagd. Zusätzlich motivieren liess sich Wellenreiter im Aufstieg zur Zuschauer-Passage, wo sie noch einige Konkurentinnen hinter sich liess und sich den 16. Rang sicherte. Bei Jäggi war das Gegenteil der Fall. Ihr unterliefen noch mehrere weitere Fehler im weiteren Verlauf des Rennens und fuhr als 26. über die Ziellinie. So kommt sie dann auch enttäuscht zum Schluss: Abhaken und das morgige Rennen ins Auge fassen.
Alle Fotos: Patrik Henseler
Das morgige Rennen fassen nun auch wir ins Auge. Uns erwartet ein Sprint in einem flachen Gelände mit einem dichten Weg- und Trailnetz. Hinzu kommt eine Motocross-Anlage auf offenem Gelände, welche den Köpfen der Athlet*innen ganz bestimmt alles abverlangen wird, während wohl auch die brütende Hitze erneut ihren Tribut fordern wird. Verfolgt werden kann das Rennen hier: https://orienteering.sport/event/european-mtb-orienteering-championships-3/sprint/
Wer es verpasst, kann aber auch morgen wieder gegen Abend den Bericht auf suimtbo.ch oder auf Swiss-orienteering.ch lesen.
Hier, die Interviews von heute:
Noé Henseler https://youtu.be/MddadoumfaI
Adrian Jäggi: https://youtu.be/1154eHC3JV0
Noah Rieder: https://youtu.be/0l-twhj-grQ
Ursina Jäggi https://youtu.be/54mDdfyHdQ8
Céline Wellenreiter: https://youtube.com/shorts/8Jv-sqQBQT8?feature=share
Flurin Schnyder: https://youtu.be/26KRfCp71fg
Silas Lützelschwab: https://youtube.com/shorts/7JxLHDV8nho?feature=share