Die Zeit zwischen der WM und der Weltcuprunde in Italien war kurz. So kurz, dass es dazwischen noch nicht einmal reichte, den WM-Bericht zu posten ;). Kaum waren die letzten tschechischen Dreckspritzer von den Bikes geputzt, versammelten wir uns bereits zum Kazu, an dem wir den Weltcup und die U-23 WM vorbereiteten. Und genau eine Woche später hiess es dann ab nach Bella Italia. Unsere Reise führte uns über die Alpenpässe, durchs Münstertal, vorbei an endlosen Apfelplantagen im Vinschgau bis nach Trient. Von da aus fuhren wir die letzte Bergstrasse des Tages hoch in das verschlafene Dorf Folgarìa auf 1100 Metern über Meer. Das Schweizer Team kam früher als die meisten anderen Teams an, was sich schon bald als schlauer Schachzug entpuppte. In den Trainings stellten wir fest, dass man den Höhenunterschied überraschend stark merkt, obwohl wir für schweizer Verhältnisse ja nicht “richtig” in den Bergen waren. Ein bis zwei Tage mehr Gewöhnung kam uns da sicherlich zugute. Ein bis zwei Pizzen zum Znacht mehr war ebenso ein willkommener Nebeneffekt. Unseren Weg in die Pizzerien nutzten wir ausserdem dazu, die Teile von Folgarìa, die ausserhalb des Sperrgebietes lagen anzuschauen, denn es war bekannt, dass die Staffel am Sonntag auch durch das Dorf gehen würde.

Middle: Die Mitteldistanz fand statt in Lavarone, dem Nachbardorf von Folgarìa. Als wir uns in die Quarantäne begaben, war die Sonne noch stark gegen die Bewölkung am Kämpfen. Zum Zeitpunkt der ersten Startenden musste sich die Sonne dann geschlagen geben. Die kühle Bergluft und die Wolken sorgten für ideale Bedingungen. Endlich Temperaturen, die nicht einmal für Flurin zu warm waren – eine willkommene Abwechslung nach den Hitzeschlachten in Portugal und Tschechien. Das Gebiet, das für die Mitteldistanz ausgesucht wurde war absolute Spitzenklasse für Bike-OL. Die Trails waren steinig, wurzlig, stellenweise nass und der Waldboden mit den ersten braunen Blättern bedeckt. Alleine biketechnisch war das stellenweise eine echte Challenge. Karte lesen im Fahren war dann noch einmal schwieriger. Wir starteten in ein feines Gebiet mit kleineren Hügeln. Wer die nötige Geduld für das genaue Karte lesen nicht besass, konnte dafür hart bestraft werden. Auf den schwierigen Start folgte ein High-Speed Teil um den See von Lavarone. Doch direkt danach ging es bereits in den nächsten feinen Teil. Chrigä lag in der Vorbereitung mal wieder goldrichtig, als sie uns allen eintrichterte, wie wichtig es sei, die Tempowechsel sauber hinzukriegen und im richtigen Moment wieder zu bremsen. Unsere beiden Frauen setzten dieses Konzept souverän um. Beide berichteten im Ziel von kleinen Unsicherheiten unterwegs, die wohl alle Athletinnen und Athleten hatten. Sie schafften es aber, grosse Fehler zu vermeiden, liessen sich durch die Unsicherheiten nicht aus der Fassung bringen und bissen in der einfachen, physischen Schlussphase noch einmal fest auf die Zähne. Damit klassierte sich Ursina auf dem Rang 5 und Celine auf Rang 7! Celine sicherte sich zudem die Silbermedaille in der U23-Wertung hinter der souveränen Finnin Kaarina Nurminen. Die Männer kamen leider nicht alle ganz so souverän durch. Dementsprechend verteilten sie sich auch ein bisschen mehr über die gesamte Rangliste auf den Plätzen 7 (Adrian), 11 (Silas), 21 (Flurin) und 25 (Noah).

Celine, zu Beginn ihrer Silberglanzleistung

Long: Auch für die Langdistanz fuhren wir nach Lavarone. Einige Leser*innen sind wohl langsam am grübeln: Folgarìa… Lavarone… Da war doch was… Genau! Im Jahr 2014 fand in dem Gebiet die WOC statt mit begleitenden Zuschauer*innen-Läufen. Im gleichen Wald, wo damals die Langdistanz für das Fussvolk stattfand, durften jetzt wir unser Können unter Beweis stellen. Die optimalen Bedingungen vom Vortag wurden abgelöst durch strömenden Regen und kalte Temperaturen. In der Quarantäne machte sich fast schon eine Art Galgenhumor breit, wenn die Athlet*innen über die Bedingungen und das bevorstehende Rennen sprachen. Wir Schweizer*innen hatten aber insgeheim auch ein wenig Vorfreude, denn wir wussten: Viele Leute sind sich das Biken in den nassen, schlammigen Bedingungen nicht so gewöhnt, wie wir. Im Süden sind die Winter mild und nicht allzu nass, im Norden sind die Winter schneereich und es wird auf Langlaufen oder Indoor-Cycling ausgewichen. So machten wir uns eine nach dem anderen mit unterschiedlichen Gefühlen auf den Weg und kamen letztendlich mit völlig verschiedenen Erfahrungen im Ziel an: Ursina fing sich einen platten Reifen ein, den sie nicht flicken konnte, da sie auf dem verdreckten Reifenprofil das Loch nicht fand. Immerhin passierte die Panne relativ früh, sodass sie bald schon wieder im Ziel an der Wärme war. Celine kämpfte sich tapfer über die gesamte Bahn. Durch eine, naja… kreative Routenwahl zum 13. Posten und einige kleinere Fehler befand sie sich am Ende nicht mehr so weit vorne wie noch in der Mitteldistanz, sondern beendete das Rennen auf dem 16. Rang. Silas besass die mentale Stärke nicht, den widrigen Bedingungen bis zum Schluss zu trotzen. Dem einigermassen schnellen Start folgte ein ebenso schneller Abbau des Tempos. Hinzu kamen diverse kleine und auch grosse Fehler. Er überquerte die Ziellinie mit reichlich Rückstand auf dem 25. Rang. Noah fuhr ein gutes Rennen, bis zum Posten 15, wo er einen Riesen-Fehler machte und wahrscheinlich jeden Weg in der näheren Umgebung zweimal gesehen hatte, bis er den Posten fand. Fairerweise muss man sagen, dass die Karte in dem Gebiet auch wirklich schwer zu verstehen war. Noah reichte es mit dieser Leistung auf den 19. Rang. Adrian fuhr sehr lange ein sehr souveränes Rennen. Erst auf dem Weg zum 20. Posten passierte ihm ein Riesen-Fehler, der ihn vom dritten Zwischenrang auf den 21. Rang zurück-katapultierte. Schwer enttäuscht fuhr er auf den Rang 20. Glücklicherweise gab es noch einen gewissen Junioren, der die Ehre des Schweizer Männerteams retten konnte. Flurins Rennen war zwar nicht fehlerfrei, jedoch solide und grösstenteils schnell. Er klassierte sich auf dem zehnten Rang und somit auf dem zweiten U23-Rang.

Silas geniesst das Wetter…

Relay: Nach der herausfordernden Langdistanz vom Vortag waren wir alle froh, dass heute “nur” noch eine kurze Staffel auf dem Programm stand. Motivierend war zudem, dass der Himmel in der Nacht das letzte Wasser ausgeleert hatte und uns die strahlende Sonne wärmte. Im Dorfkern von Folgarìa starteten die Frauen auf die erste Strecke. Celine und Ursina erfüllten ihre Aufgabe beide enorm gut. Sie fuhren mit dem Feld mit und profitierten, wo sie konnten von der Konkurrenz. Beide hatten aber auch den nötigen Mut und die Kontrolle, um im richtigen Moment die eigene Route zu wählen. Dadurch konnten sie vermeiden, einen falschen Gabelungsposten anzufahren. Sie übergaben direkt hintereinander auf den Plätzen 8 und 9 und schickten so Flurin und Silas mit einer super Ausgangslage auf die zweite Strecke. Flurin und Silas packten die schnellen Beine aus und konnten auf der physischen Strecke extrem gut mithalten, trotz einigen kleineren Fehler. War das Tempo für die beiden wohl doch etwas zu hoch? Jedenfalls verloren sie nicht wirklich Platzierungen. Sie übergaben in einer grösseren Gruppe auf den Plätzen 4 und 8 an Adrian und Noah. Bei Adrian merkte man direkt, dass sich nun der Ärger über die misslungene Langdistanz vom Vortag entlud. Wie eine Rakete schoss er los und überholte noch vor dem Startpunkt seinen ersten Konkurrenten. Wie Pacman fuhr er seine Strecke ab und frass dabei einen Konkurrenten nach dem anderen. Hinzu kamen Fehler von einigen Konkurrenten, bis Adrian kurz vor Schluss an zweiter Stelle lag. Zum letzten Posten jedoch passierte auch Adrian noch ein kleiner Fehler, welcher dazu führte, dass das Tschechische Team schlussendlich doch vor dem Schweizer Team über die Ziellinie fuhr. Die Schweizer Staffel endete auf dem hart verdienten dritten Rang. Noah konnte sein Rennen nicht fehlerfrei zu Ende bringen, kam aber dennoch als starker siebter aus den italienischen Hängen zurück.

Die Staffel bei der Siegerehrung

Wir blicken zurück auf einen intensiven abwechslungsreichen Abschluss der internationalen Saison in Italien und sind dankbar für die Unterstützung aller Supporter*innen im vergangenen Jahr. Grazie Mille!!! Jetzt ist erst einmal eine kleine Pause angesagt, bevor wir am 29.10. am letzten Schweizer Bike-OL am Start sein werden. Wir freuen uns, euch alle dort zu sehen!

Resultate, Karten, GPS und Fotos können hier gefunden werden.
Alle Fotos: gronlait.it